Mit Tempo, Ironie und Witz
Theater-AG des MSG spielt „Das Haus in Montevideo“
30.09.2004 Wenn die Mroal der Nächstenliebe im Wege steht und christliche Werte in Windeseile von Habgier und intelektueller Haarspaltereiei verdrängt werden können, ist das ein hervorragender Stoff für eine beißende Gesellschaftskomödie, die auch 6o Jahre nach der Premiere nichts an Witz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung verloren hat.
Mit brillanten Schauspielern, einem schlichten, aber wirkungsvollen Bühnenbild und einer temporeichen Inszenierung durch Regisseurin Sybille Romeis brachte die Theater-Arbeitsgemeinschaft des Max-Slevogt-Gymnasiums (MSG) Curt Goetz Vierakter „Das Haus in Montevideo“ in der beide Male ausverkauften Gymnastikhalle auf die Bühne.
Ein bigotter und selbstgerechter Lateinprofessor des wilhelminischen Zeitalters, Traugott Hermann Näglers, der seine zwölf Kinder nur mühsam ernähren kann, steht im Mittelpunkt der Geschichte. Die Namen seiner Sprößlinge sind nicht minder bildungsbetont wie der Vater selbst: Wenn nicht gerade römische Ordnungsziffern (Nona, Decimus, Ultima) zum Zuge kamen, hat er sich zur Namensgebung quer durch das Wagnersche Opern-Personal bedient und ist gar vor Fafner und Fasold nicht zurückgeschreckt. – Was den Mahlzeiten an Reichhaltigkeit fehlt, wird durch geistfördernde Prüfungsfragen wettgemacht, die selbst vor Mutter Marianne nicht halt machen.
Die spießige Idylle wird jäh gestört, als das Testament von des Professors Schwester Geld in die Familie bringt, allerdings unter der Auflage vom Pfad der Tugend wissentlich abzuweichen. Ihr war vor vielen Jahren ein Fehltritt zum Verhängnis geworden: Der ach so christliche Bruder hatte sie selbst auf die Strate gesetzt. Doch statt im Elend zu verderben, wurde aus Josephine eine erfolgreiche Sängerin, die in Montevideo Heime für Mädchen einrichtete, die denen die Möglichkeit gaben, eben nicht zu fallen.
Der selbstgerechte Professor, den Johannes Meng mit unglaublicher Überzeugungskraft als aufgeblasen Wichtigtuer gab, versucht krampthaft, seine verlogene Doppelmoral mit intellektuellen Verrenkungen zu rechtfertigen, von Pastor Riesling (Julian Ahlborn in einer Paraderolle) lebhaft unterstützt.
Wie immer erweisen sich die Frauen als die klügeren Menschen, Anne Richter, als zwölffache Mutter elegant und schlagfertig, und Katrin Burkhardt als aufgeweckte Tochter im heiratsfähigen Alter, auf der die Last der zu erwerbenden Erbschaft ruht, gaben der Inszenierung neben den ausgezeichnet besetzten „Nebenrollen“ Profil und Charakter. Der schleimige Bürgermeister (Gregor Verhoeven) und der schüchterne Heiratskandidat (Roman Szabo), das geschwätzige Hausmädchen (Ilona Peuten) und die exotischen „Damen“ in Montevideo (Laura Schuster, Rebecca Knauth, Linda Terhorst) sowie David Hochberg als gerissener Anwalt – sie alle spielten mit der Sicherheit von Theater-Profis, verliehen ihren Rollen einen persönlichen Ausdruck und machten das ternporeiche Stück zu einem Erlebnis für die Zuschauer. Nicht zu vergessen die anderen elf Nägler-Kinder, alle mit Brille, die ihren kurzen Auftritt im ersten Akt mit viel Komik und erstaunlich souverän absolvierten.
Als der teilweise recht bösartige Vierakter von Goetz zu seinem überraschenden Schluss kommt, der Moral und Konvention zu einem schlitzohrigen Kompromiss versöhnt, hat sich niemand im Saal auch nur eine Sekunde gelangweilt. Applaus und anerkennende Pfiffe belohnten die Schauspieler, kleine Geschenke die an dem Projekt (Licht, Ton, Probenarbeit) beteiligten Lehrer. (sma)
© RHEINPFALZ, 21.7.2004
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