22.06.2005 Interview mit Toni L.
Wann sind sie geboren? Alter? Wo?
Ich bin geboren im Jahr 2360 im Universum des Funks und was wolltest du noch wissen? – Ja, im Universum des Funks. Mein Alter. Wenn du rechnest, bin ich noch gar nicht geboren, weil ich komme aus dem Jahr 2360 und bin mit der Zeitmaschine extra angereist um euch zu treffen, deswegen ist es zeitlos, was ich hier mache!!!
Haben sie Familie? Wie viele Kinder haben sie?
Ich habe eine Familie. Ich habe eine Sohn, der ist jetzt ein Jahr alt und er rappt jetzt auch schon in drei Sprachen!!
Was hält Ihre Familie von Ihrer Musik?
Sie sind meine größten Fans! Also, sie wollen, dass ich jeden Tag Musik mache und das ist auch gut so!
Können Sie uns etwas über ihre Kindheit erzählen?
Über meine harte Kindheit?! Ja, also, was euch vielleicht interessieren könnte, ist, dass ich mit Touch aufgewachsen bin in der Altstadt von Heidelberg und wir zusammen Brake Dance und Hip-Hop überhaupt eingeführt haben in Deutschland, also wir waren die ersten, die überhaupt Hip-Hop mitbekommen haben und deswegen hat unser Leben schon in der Kindheit mit Hip-Hop begonnen!
Sind Sie zweisprachig aufgewachsen? (Welche Sprachen?)
Ja. Chinesisch und Französisch! Nein, Quatsch! Italienisch und Deutsch natürlich! Ja, ich spreche auch noch Französisch, Englisch und Deutsch und Heidelbergerisch.
Auf welcher Schule waren Sie? Wo waren Sie auf der Schule? Haben Sie gute Noten geschrieben? Haben Sie studiert?
Ok, das Thema ist jetzt etwas schwierig! Also, ich war auf der Gesamtschule in Heidelberg, das ist die IGH gewesen und da waren alle Heidelberger Rap-Ikonen, die es gibt. Wir waren zusammen dort auf der Schule, aber – ich bin ja hier auf einem Gymnasium, ne? – ich hab’ Realschulabschluss. Ich wünsche mir aber, dass ihr alle trotzdem euer ABI macht, weil das ist auf jeden Fall wichtig!!! Wir haben, wenn du es so willst, hab’ ich Hip-Hop studiert und gelebt bis heute und eigentlich müsste ich, wenn es das gäbe, den Titel des Professors bekommen in Hip-Hop, aber dafür kämpf ich noch!! Aber ihr sollt auf jeden Fall euer ABI machen und studieren gehen oder eine gute Ausbildung machen, weil das ist definitiv wichtig – Wissen ist die Macht!!!
Wie haben Sie einen Plattenvertrag bekommen? Von wem?
Wir haben ja unsere eigene Plattenfirma selbst gegründet am Anfang, das heißt, wir waren von Anfang an selbstständig und unabhängig. Wir haben keine Plattenfirma gebraucht, weil unsre Devise ist, wenn meinetwegen die ganze Plattenindustrie da draußen kaputt gehen und alle Labels und Manager ihren Job verlieren, wollen wir trotzdem noch selber Platten rausbringen können, das heißt, wir wollen von keinem abhängig sein!
Aber später, als es dann auch immer besser lief, also mein Funk Joker Album ist dann z.B. bei BMG rausgekommen.
Wir haben aber immer lizenziert, das heißt, ich bin jetzt kein abhängiger Künstler, der einer von vielen ist, sondern wir haben unser eigenes Label 360 Grad Rekords und wir lizenzieren dann immer je nach Projekt je nach Produkt an größere Labels.
Wie lange machen Sie schon Musik?
Ich mach’ so lange Musik, seit ich denken kann, eigentlich. Also ich habe angefangen mit Tanzen, Break Dance und als ich gemerkt habe, dass ich zu viele blaue Flecken habe und dass alles zu akrobatisch wurde, hab ich gedacht, Rap ist bequemer! Dann habe ich das Spiel mit dem Wort gefunden und seitdem rappe ich und mach Musik. Ich habe auch eine Band, ich habe eine neunköpfige Funk Band, Safarisounds.
Wir haben gehört, dass Sie schon mit Sido gesungen haben, stimmt das?
Mit Sido. Also, ich kenne Sido und Sido kennt mich und wir haben auch schon einmal auf irgendeiner Veranstaltung zusammen einen Auftritt gehabt, aber mehr auch nicht.
Was halten Sie von seiner Musik? Von ihm?
Er selbst ist immer sehr respektvoll mir gegenüber; gibt mir die Hand und begrüßt mich, wie es sich gehört! Und Musik ist alles Geschmacksache und da möchte ich jetzt gar nichts darüber sagen, weil das müsstet ihr euch selbst anhören, ob es euch gefällt oder nicht. Es liegt jetzt nicht in meinen Top 10 oder so!
Haben Sie schon besondere Auszeichnungen bekommen, z.B. den Echo oder so?
Wir wurden schon nominiert dafür, aber bekommen haben wir ihn nicht, wobei es für uns gar nicht so wichtig ist, also für mich hat Musik auch nie ’ne Rolle gespielt, im dem Sinne, dass ich jetzt gewartet hab’, dass ich mir ’ne Platte erst hol, wenn ein Künstler ausgezeichnet wird!! Wir haben damals einen Film gedreht, der heißt „Hip-Hop Murade“ der kam Anfang der 90er ins Fernsehen. Das war eigentlich der ursprüngliche Film für die deutschsprachige Hip-Hop Szene und da haben wir quasi über Hip-Hop durch die Szene geführt und dieser Film wurde mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet und ansonsten haben wir noch viele Preise bekommen, aber jetzt keinen Medienpreise wie der Echo oder so.
Mit welchen Sängern haben Sie noch zusammen gesungen?
Also momentan läuft hier jetzt was Aktuelles, das Projekt mit Brothers Keepers, da geh’ ich jetzt auch auf Tournee mit den Jungs, aber es sind halt auf jeden Fall schon ein Haufen Leute, mit denen ich schon zusammen gearbeitet bzw. gesungen hab’.
Woher stammt der Name Brothers Keepers?
Also, der Name Brothers Keepers, ja ursprünglich wurde Brothers Keepers von Ade von Bantun gegründet in Köln, der nigerianischer Abstammung ist, und er hatte die Idee, nachdem Adriano damals von Rechtsradikalen umgebracht wurde. Als Künstler hat er sich verantwortlich gefühlt und hat gesagt, er muss was dagegen machen, er kann das nicht einfach so geschehen lassen und nichts tun und da kam ihm die Idee, das ist ja ein biblischer Begriff, meines Bruders Hüter, Brother Keepers, Brother Keeper zu sein und für seinen Bruder zu gehen, das ist quasi die Mission, dass du Verantwortung übernimmst und für deinen Mitmenschen kämpfst, der leiden muss und angegriffen wird und du nicht irgendwie anonym daneben stehst und sagst, du möchtest damit nichts zu tun haben, sondern dass du im Bewusstsein eine Verantwortung dafür entwickelst und sagst, ich steh dafür ein, ich möchte dafür gehen. In erster Linie hat er dann eben mit Brothers Keepers alle afro-deutschen Künstler angerufen. Als erstes hat er Touch angerufen und ihn gefragt, ob er bei dem Projekt mitmacht, dass eben Musik gemacht wird und mit den Einnahmen dann hinterbliebene Familienangehörige von Opfern, die durch rassistische Anschläge umgekommen sind oder schwer verletzt wurden, dass denen dann geholfen wird auch in finanzieller Hinsicht und auf anderen Ebenen. Und dadurch ist dann Brothers Keepers ins Leben gerufen worden und erstmals ein afro-deutsches Projekt gewesen, weil’s auch für viele in Deutschland noch nicht selbstverständlich ist, dass jemand, der eine dunklere Hautfarbe hat, auch einen deutschen Pass haben kann und die deutsche Sprache sprechen kann wie jeder Weiße auch, und dadurch wurde dieses Manifest erst mal gegründet und mittlerweile ist es natürlich wesentlich multikultureller und alle können dabei teilnehmen und ja jetzt kann ich natürlich noch Bücher darüber erzählen, aber das erst mal zu Brothers Keepers.
Welche Stars machen bei dem Projekt mit ?
Da habe ich ja vorhin schon angefangen zu erzählen, aber wen habe ich noch nicht aufgezählt? Gentleman ist auch dabei. Patrice, wie gesagt auch Torch, Toni L., Danione, Tairen, D-flame, Ono, Ebeney prinz, Germ. Wer noch alles? Also, ich vergesse jetzt natürlich einen Haufen Namen. Samy Deluxe, Promo, ein Rapper aus Schweden, und dann noch verschiedene andere Sänger.
Also, es ist sehr vielseitig. Es sind super viele Künstler dabei. Ich glaube, insgesamt hat Brothers Keepers auch über 80 Mitglieder.
Woher kennen Sie sich ?
Also, wir kennen uns einfach schon. Ich glaube, es gibt kaum einen Künstler in der Hip-Hop Hop Szene, den ich jetzt zum Beispiel nicht kenne. Weil du nach so vielen Jahren in der Szene so viele Konzerte und so viele Jams und Auftritte hast. Du lernst dann alle Menschen kennen, die etwas damit zu tun haben, auf welchen Weg auch immer.
Mit vielen hat man auch schon früher zu tun gehabt. Xavier kannten wir schon, bevor er bekannt wurde, Musik hat er auch schon immer gemacht.
Außerdem ist Mannheim ja um die Ecke von Heidelberg .
Die ganzen anderen kennt man einfach schon von den Jams und Auftritten.
Hatten Sie selbst schon mal was mit Drogen und Gewalt zu tun?
Also. ich hab hier mein Zigarillo und das ist halt ein Keks. Und ja, mit Drogen und Gewalt kommt man ja ständig in Berührung. Man wird immer wieder, es wird einem immer wieder angeboten, ich glaube Touch und ich sind die einzigen, die keine Drogen nehmen, und ich mein', mit Gewalt kommst du auch ständig in Berührung, klar, es gibt immer Möglichkeiten sich zu batschen irgendwo, aber du musst dann wissen, wie du dem aus dem Weg gehst und ob sich’s lohnt oder nicht. Und Drogen haben uns nie angesprochen, also das hat mir nie was, also, ich hab immer nur Leute gesehen, die Drogen genommen haben, auch aus unserem Umfeld, die eigentlich daran kaputt gegangen sind oder die sogar ihr Leben verloren haben dadurch, und man hat einfach immer gesehen, wohin es führt. Und wir haben immer gesehen, es ist eine Sackgasse, und diese Sackgasse kann nicht der Ausweg sein. Weil, oft nimmst du ja Drogen um irgendwie aus deiner Welt zu flüchten und aus irgendwie den Problemen, von den Problemen, die du hast, irgendwie wegzukommen, und man sieht aber immer an allen möglichen Beispielen, dass es keine Lösung ist. Und deswegen versuchen wir den Drogen und der Gewalt natürlich immer Kontra zu geben beziehungsweise aus dem Weg zu gehen.
Hatten Sie schon mal Kontakt mit der Polizei?
Ja klar, bei der Führerscheinkontrolle!
Nee, aber Polizei, gut, du kommst in Konflikt mit der Polizei, wenn du Graffiti malst zum Beispiel sehr viel natürlich und wenn du auch auf bestimmten Veranstaltungen spielst, bei denen es dann Stress gibt, und dann kommt die Polizei dazu, also gibt’s schon einen Haufen Kontakte, und ich kenn auch viele, die auch dementsprechend im Gefängnis waren und sonstige Pläne hatten oder haben, das gehört dazu, kommst du immer wieder mal, aber man versucht es immer wieder zu umgehen!
Sie haben vorhin gesagt, dass Sie Sido kennen, finden sie nicht das er das krasse Gegenteil von ihnen ist?
Klar, das kann ja mal passieren, dass du deinem Gegenteil begegnest, weißt du, du kannst ja jemand kennen, wenn du nicht mit ihm verheiratet bist. Und das stimmt schon, das Gegenteil, und das hat ja nix damit zu tun, ob du jemand kennst oder nicht. Die Leute haben damals auch, ja ich mein, du, es gibt ja keine Projekte, die wir zusammen machen. Also es geht ja nur ums Kennen, du hast mich ja nur gefragt, ob ich ihn kenne.
Warum interessiert sie das Thema Drogen und Gewalt so sehr?
Ich denk einfach, als Künstler, wenn man in der Öffentlichkeit steht und auf die Bühne geht und Platten rausbringt, dass man auch 'ne gewisse Verantwortung hat , das haben wir immer so gehandhabt . Als wir Fremd Im Eigenen Land rausgebracht haben, sind, haben wir ja schon damals gesagt, wir wollen was Inhalt transportieren und die Plattform der Musik nutzen, weil, wenn du einfach nur so dich zurücklegen willst und dein Ding machst und die Leute konsumieren lässt ohne dabei nachzudenken nur um Geld zu verdienen, dann ist das auf jeden Fall der falsche Weg, du solltest, also ich hätte mich als Schüler super gefreut damals, wenn irgendein Künstler in die Schule kommt und sich mit mir unterhält und über sein Leben erzählt und auch meinetwegen gegen Gewalt und Drogen spricht, das kann vielleicht, und wenn’s nur einer von euch mit nach Hause nimmt und sagt, daran halt ich mich, das find ich gut, was er gesagt hat, und dann kann das schon irgendwie Menschen auch retten und auf den richtigen Weg bringen, und deswegen ist das auf jeden Fall ein wichtiges Thema, genau so, wie wir mit Brothers Keepers uns gegen Rassismus einsetzen, so setzen wir uns auch gegen alles andere, das schlecht und böse ist, ein. Und dazu gehören halt Gewalt und Drogen definitiv dazu.
Was haben Drogen und Gewalt mit Hip-Hop zu tun?
Drogen haben ja mit allem was zu tun, nicht nur mit Hip-Hop, Hip-Hop ist eine Kultur und du findest auch in anderen Musikbereichen, ob Punk, ob Rock, ich bin überzeugt, selbst bei der Volksmusik werden mehr Drogen genommen, als wir uns vorstellen können, weißt du. Weil, die lächeln immer so schön und spielen die heile Welt, aber du weißt ja nicht, was hinter den Kulissen passiert und wie viel Koks die ziehen oder was auch immer die machen. Ich glaub’, Drogen spielen eine sehr große Rolle auch in der Filmbranche in Hollywood, ich glaub’, es gibt kaum jemanden, der dort ein großer Schauspieler ist, weil teilweise die Belastung so groß ist, dass sie einfach nur noch durchhalten können, wenn sie Drogen nehmen, weil, was du auch nicht vergessen darfst, wenn du berühmt wirst oder einen bestimmten Namen hast und in der Öffentlichkeit stehst, dann entsteht ein gewisser Druck. Jeder will heute Superstar werden, alle rennen zu Castingshow und alle versuchen irgendwas zu machen, damit sie berühmt zu werden.
Aber sie sind sich gar nicht bewusst, was die Folgen dann sind, wenn sie dann mal berühmt sind, was ist denn dann, was du erreichst, gut, dann kennt man dich, gut, kannst ein par Autogramme geben, gut, aber dann entsteht auch ein gewisser Druck, die Leute erwarten was von dir, die glauben dich zu kennen. Die nehmen jedes Wort auseinander, das du aussprichst, das heißt, du musst vorher gut überlegen, was du sagst, und dann kommen eben auch die Drogen mit ins Spiel, dann kann das sein, dass manche Leute, die labil sind, anfangen Drogen zu nehmen, weil sie denken, das ist der einzige Weg um hart zu bleiben und durchzuhalten und deswegen auch die ganzen rock heavinabel Bands, die dann was weiß ich was für Orgien feiern, die können das vielleicht auch nur, weil sie Drogen nehmen, und deswegen ist halt der gefährliche Weg, den man, man sollte sich dessen bewusst sein, was es mit sich führt so, was für eine Kettenreaktion daraus entsteht.
Das Interview führten Jana Fang, Elisabeth Fies, Sophie Schuster und Victoria Sorgenfrei (7c)