DER „GRIFF ZU DEN STERNEN“ IST GELUNGEN
27.11.2001 „Ein deutsches Requiem“ von Brahms mit Trifels-Gymnasium Annweiler und Max-Slevogt-Gymnasium in zwei Konzerten (von Gertie Pohlit)
„Ein Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms - viele wunderbare Attribute fallen einem da ein. Unter anderem ist es ein sehr sinnliches Werk: voller höchst einprägsamer Melodik und weitem theatralischem Gestus, der zwischen lieblichster Verklärung und apokalyptischem Höllenspektakel von grausiger Schönheit alle menschlichen Emotionen opulent bedient. Chorsänger lieben dieses Werk nicht einfach, sie verfallen ihm. Nahe liegend also, das Requiem auch einmal zum schulischen Studienobjekt zu erklären, zumal wenn - wie im konkreten Falle des Max-Slevogt-Gymnasiums Landau und des Trifels-Gymnasiums in Annweiler - aufgeschlossene Schulmusiker und qualifizierte Chöre zur Verfügung stehen.
Die Kehrseite: Es ist auch ein sehr schweres Stück. Der Chor ist unangefochtener Hauptprotagonist über sieben lange, kräftezehrende Sätze hinweg; es muss zudem ein komplettes Sinfonieorchester besetzt werden, die Partitur ist mit Laien kaum zu bewältigen.
Was ein wenig wie der Griff nach Sternen anmutete, gelang in zwei ausverkauften, hochspannenden Wiedergaben in der Stadtkirche Annweiler (mit Oberstudienrat Oskar Fuchs am Pult) und der Landauer Stiftskirche unter Leitung von Oberstudienrat Friedhelm Kunz (die Namen verschwieg das Programmheft schamhaft, warum eigentlich?) in uneingeschränkt überzeugender Weise.
Friedhelm Kunz lenkte beim Landauer Konzert das Geschehen souverän und mit Nachdruck. Mit seinen Tempi konnte man sich absolut,einverstanden erklären, zumal es ihm auch da, wo er mit Blick auf den Riesenchorapparat mäßigte, im ersten und dritten Satz etwa, gelang, Spannung zu halten und zu steigern.
Brillant vorbereitet, hielten die Choristen stetig Augenkontakt zum Dirigenten, reagierten präzise auf Tempowechsel und dynamische Signale. Nicht verwunderlich, war der gut 150 Stimmen starke Chor etwas sopranlastig, was sich speziell bei den monumentalen Passagen (Fuge dritter Satz und sechster Satz bei „Hölle, wo“) zeigte, dennoch wirkte der Chorklang insgesamt geschlossen, sehr gut abgemischt und für einen so jugendlich besetzten Chor erstaunlich profiliert. Tenöre hätten es getrost ein paar mehr sein dürfen, freilich beeindruckten gerade sie neben den Altistinnen! - durch lupenreine Soli (Schlusssatz). Tadellos auch die Textpräsenz des Chores bis hin zu den sauberen t-Absprachen.
Dass das gut 4o-köpfigen Orchester, besetzt mit jetzigen und ehemaligen Schülern sowie Freunden der Gymnasien, mit gleicherweise professionellen Kriterien zu messen war, machte das Erlebnis vollkommen.
Ein untadelig intonierendes, enorm wendiges und, wo geboten, zu opulenter sinfonischer Klanggewalt aufflammendes Ensemble (mit herrlichen Bläsergewittern) war idealer Partner für Chor-Tutti und Solisten. Ein Sonderlob den leiseren Passagen: So einfühlsam und dynamisch wach wird auch im Profilager selten begleitet, denkt man vor allem an die Chorsoli in den Ecksätzen oder den fünften Satz.
Damit zu den beiden Solisten, Martin Risch, Bariton, und der Sopranistin Nelly Palmer, MSG-Ehemalige mit solider Gesangsausbildung. An der Gestaltung des Sopran-Solos, das - wenn auch nicht umfangreich - mit eine der schwersten Partien ist, die die Oratorienliteratur vorhält, scheiden sich die Geister. Die stilistischen Angebote der gängigen Einspielungen spannen sich da von opernhaft (mehrheitlich) bis puristisch karg. Für mich reichte Nelly Palmers Wiedergabe ans Ideal heran: weich, ganz auf Linie, jedem Pathos abhold, dafür ungemein klar konturiert, mit alabaster-schönen, selten prall ausgesungenen Tönen, einem Ausdruck inniger Beseeltheit, und einer mit größter Selbstverständlichkeit bewältigten Spitzenlage.
Auch Martin Risch darf man ohne Einschränkung stilistische Sorgfalt bescheinigen. Sein zwar nicht großer, aber mit Noblesse und enormer Disziplin verwalteter, schön timbrierter Bariton erfüllte die Partie mit Ernst und gebotener Emphase.
Man kann die Ausführenden nur beglückwünschen und die „Köpfe“ ermutigen, sich mal wieder zu trauen!
(Aus: DIE RHEINPFALZ 275/2001 vom 27.11.2001)