Makaber und witzig
18.07.2006 LANDAU: "Arsen und Spitzenhäubchen" im MSG
In einem meisterhaften Zusammenspiel von Rahmen und Rollen, perfekter Abstimmung und erstklassig gebotenen makaber-witzigen Dialogen brachte die Theater-AG des Max-Slevogt-Gymnasiums "Arsen und Spitzenhäubchen" auf die Bühne.
Unter der Regie von Stefan Schaupp und Dirk Tews und der Requisite von Sibylle Romeis eroberten vierzehn Nachwuchstalente am Donnerstag und Freitag die Bühne der Schulturnhalle. Auch wenn die scheinbar liebenswürdigen Tanten keine Spitzenhäubchen trugen: An dieser Inszenierung stimmte (fast) alles. Die Charaktere der Protagonisten passten optimal zur Anlage der Rollen. Das einzige Bühnenbild in dem Dreiakter, Stellwände und Möbel, die die gute Stube von Abby und Martha Brewster darstellten, sorgte durch die geschickte Einteilung der Handlungsfelder für Lebendigkeit in der Starre des Raumes. Da ist, die Truhe mit der Leiche zunächst eines älteren Herren, den die Tanten aus Mitleid vergifteten, weil sie ihm, wie elf weiteren davor, das Los der Einsamkeit im Alter ersparen wollten.
Später wird sie auch das Mordopfer von Jonathan Brewster beherbergen, einem brutalen Gesellen und Neffe der Schwestern. Ein Aufgang zu den Schlafräumen ist ideale Plattform für die Auftritte des zweiten Neffen: Teddy Brewster, der sich für Theodore Roosevelt hält und auf der Trompete zur Exkursion nach Panama bläst. Im Keller, für ihn der Panamakanal, gräbt er „Schleusen", in denen die Tanten die Toten bestatten. In der Mitte der Bühne steht der Tisch, an dem sich das Alltagsleben der Brewsters abspielt: Hier sitzt der Pfarrer (Annika Bonner) und die Polizisten (Yasmin Schlegel, Ann-Christin Wax, Hannah Kauther). Vor der Küchentür auf einem Servierwagen, steht das todbringende Giftgebräu. Zwischen Küchentür und Kellerabgang befindet sich das Telefon, zur Beschleunigung der Handlung wichtiges Requisit für Mortimer, der als „roter Faden" die Kriminalgroteske durchzieht.
Kaum wird eine Tür geschlossen, öffnet sich eine andere, nimmt das Chaos zu - bleibt dank eines geordneten Rhythmus' aber übersichtlich.
Und der Zuschauer fragt sich angesichts zwei zufriedener alter Jungfern, die froh sind, ihre Normalität wieder zu haben: „Warum die ganze Aufregung, es ist doch alles ganz einfach ..."
Auch Mortimer Brewster, Theaterkritiker und zu Beginn dritter Neffe im Bunde, hat am Ende dank der Beichte der Tanten seine Normalität wieder: Onkel Brewster hat seine schwangere Mutter geheiratet, um der Familie die gute Köchin zu erhalten. Nach der Entdeckung der Leiche(n) droht auch er verrückt zu werden. Wie alle Protagonisten steigerte sich Max Freiermuth in die Rolle des smarten Lebemannes und nicht unbedingt von der Ehe überzeugten Bräutigams, der, von lauter verrückten Verwandten und naiven Polizisten umgeben, selbst überzuschnappen droht. Und im Bemühen, als einzig Normaler unter Wahnsinnigen seine verwirrte Braut Ellen (Yana Kieffer) aus allem heraus zu halten, seine todbringenden Tanten mit Teddy im Sanatorium von Mr. Witherspoon (Angela Raschke) unterzubringen und gleichzeitig den trotteligen Polizisten und MöchtegernTheaterautor O'Hara (David Hochberg) abzuwehren, bemerkt er nicht, dass Jonathan und sein Begleiter, Gesichtschirurg Dr. Einstein (Kian Nazemi), ihn als nächstes Opfer ausgesucht haben.
Auch Katrin Burkhardt und Linda Terhorst ergänzten sich als schrullige Schwestern Abby und Martha Brewster in Gestalt, Sprache und Gestik, als hätten sie schon ein langes Leben miteinander geteilt. Die Zuschauer teilten gebannt die Angst der Tanten vor Jonathan, dem Philipp Stich einen derart brutalen Charakter gab, dass jeder in stiller Hoffnung dem Moment entgegenfieberte, in dem der von Martha mit Arsen, Strychnin und Zyankali versetzte Holunderwein endlich erlösend zum Einsatz käme .... Zwischen Hoffen, Bangen und Atem anhalten aber setzte Marcel Löwer als Teddy allein durch die komische Erscheinung im Safari-Look, ergänzt von Worten und Gesten witzige Momente der Aufheiterung und zum Luft holen.
Den einzigen Schwachpunkt der Inszenierung: Fast drei Stunden Spielzeit sind auch für begeisterte Zuschauer eine Überforderung. (srs)
(Rheinpfalz vom 12.07.06)
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